Warum Schreiben in Schreibschrift und mit der Hand so wichtig ist
19 Juni 2023
Seit Herbst 2016 wird an Finnlands
Schulen die handgeschriebene Schreibschrift nicht mehr gelehrt. Die
Schüler lernen nur noch Druckbuchstaben. Das Hauptaugenmerk liegt
auf dem Tippen auf der Tastatur. Erklärung dafür ist, dass die
„verbundene Schreibschrift“ für die Schüler zu kompliziert und
auch nicht mehr nötig sei.
Als
Länder folgten diesem Statement die Niederlande und Amerika. Kanada
und die Schweiz sowie China eifern nach. Hamburg war das erste
Bundesland, was nur noch die Druckschrift lehrte. Nun ist es fester
Bestandteil der Deutsch-Lehrpläne. Einige gehen sogar so weit, zu
sagen, die Druckschrift soll der Schüler nur noch freiwillig lernen.
Schreiben
ist für mich die Tätigkeit überhaupt.
Schreiben
mit der Hand aktiviert durch das Zusammenspiel von Körperteilen,
Muskeln, Augen und Gehirn mehr Gehirnregionen. Der Spruch: „Wer
schreibt, der bleibt“, kommt nicht von ungefähr. Handgeschriebenes
bleibt einfach länger im Gedächtnis.
Diese
Art des Schreibens unterstützt das Denken und das Finden von Worten,
schärft und verbessert den Ausdruck und sortiert die Gedanken. Damit
fördert es auch die Konzentration.
Dadurch,
dass der Prozess des Schreibens mit der Hand langsamer abläuft,
erzeugt er Achtsamkeit.
Schreiben
ist eine menschliche Errungenschaft. Dafür gibt es einen Begriff. Es
ist eine Kulturtechnik. Die Schrift wurde erfunden, um das
gesprochene Wort festhalten zu können. Wissen, Begebenheiten und
nicht zuletzt Geschichten waren für alle folgenden Generationen
zugänglich.
„Eine
fließende Handschrift bringt die Gedanken zum Fliegen“, sagt
Cornelia Funke, Autorin von „Tintenherz“
„Handschrift
ist individuell.“ Das stammt auch von ihr und das kann ich nur
unterstreichen.
Aus
einer Handschrift lassen sich Eigenschaften der Person ablesen. Jeder
Mensch hat seine eigene Handschrift – unverwechselbar und
einzigartig.
Dass
nur noch Tippen wichtig ist, weil man dann schneller arbeitet, ist
die eine Seite der Medaille. Doch jede Medaille hat auch eine zweite.
Verlernen
unsere Kinder das haptische Begreifen ohne Spielen und Bauen mit den
Händen, verlieren sie durch zu frühes Fernsehen und Video schauen
ihre Fantasie. Hier gibt es von Vera Birkenbiehl ein wundervolles
Beispiel mit einem Baseballtrainer, der zur Erklärung der
Spielstrategie keine Striche mehr benutzen kann.
Das
fehlende handschriftliche Schreiben führt zum Verlust des Ausdrucks
durch Verlernen der Wortvielfalt, das Tippen mit Kürzeln zum Verlust
der Schreibweise. Der Verlernen des Gedankenformulierens in
schriftlicher Form führt zu sprichwörtlicher Sprachlosigkeit.
Der
Verlust dieses Gehirntrainings im Zusammenspiel so vieler
Gehirnregionen wie möglich führt in letzter Konsequenz zum Verlust
dessen, was den Menschen unter allen Lebewesen auszeichnet – seine
Kreativität.
Die
Pflanzen bringen wundervolle Formen hervor.
Die
großen, kleinen und winzigen Lebewesen auf unserem Planeten sind
fantastische Baumeister. Doch jede Spezies baut nur ein einziges und
immer wiederkehrendes „Haus“.
Wir
Menschen zeichnen uns durch Vielfalt im Denken aus. Wir lernen von
den Pflanzen und Tieren. Wir entwerfen immer wieder neue Gebäude,
erfinden immer wieder neue Technische Wunderwerke. Wir sind
hervorragende Künstler, ob Musik, bildende Kunst, Malerei, Mode oder
Handwerk. Alles das aber lebt und entwickelt sich nur mit dieser
überragenden Eigenschaft.
Quelle:
FAZ – Christian Füller, 11.05.14,Ursula Scheer,14.01.15