Blaues Blut
25 August 2022
Blaues
Blut
Das
blaue Blut rauscht durch die Hauptader, voller Vorfreude, endlich
fließen zu dürfen.
Sein
schlanker Körper fügt sich wohlig in den starken Griff der Hand.
Oh,
er war so ungeduldig!
Wann
nur, wann, durfte er endlich der Schlüssel sein, der den so
wundervollen magischen Kreislauf schließen würde, starten dürfte?
Welche
Ehre für ihn.
Da
– es ging los. Er wurde hoch gehoben, sanft bewegt wie von einem
sommerlichen Hauch. Er wurde ein wenig geschwenkt wie guter Wein in
einem stilvollen Glas und danach sehr liebevoll abgesenkt.
Der
so sehnsuchtsvoll erwartete Startpunkt kam näher und näher.
Jetzt
endlich berührt seine Spitze das so wundervolle weiße Meer aus
leeren Bögen. Mit seiner Hilfe würde sich das Weiß in alle nur
denkbaren Farben dieser Welt aufspalten, so wie ein Prisma aus
weißem Licht den Regenbogen erstrahlen lässt.
Er
öffnet durch den vorsichtigen Druck der ihn umschließenden Finger
sein wertvolles Gefäß und das Wunder beginnt.
Ein
Gedanke erwacht in den Weiten des menschlichen Gehirns. Er strömt zu
den Synapsen, löst so eine körperliche Reaktion aus. Die Synapsen
erkennen die Information und senden diese an die Muskeln. Der Arm
bewegt sich, sendet die Aufgabe weiter an Hand und Finger. Die wieder
umschließen den Stift, setzen ihn aufs Papier und führen ihn
darüber. Durch dieses Zusammenspiel von Körper und Geist kann sich
der Gedanke jetzt schriftlich ausdrücken. Aber er wird nicht nur
aufgeschrieben, um nicht verloren zu gehen, oder festgehalten, um
erneut gelesen zu werden.
Nein.
Denn
im Moment des Niederschreibens schauen die Augen zu, folgen den
Kurven der Buchstaben, lesen und erkennen den Sinn des geschriebenen
Wortes. Die Augen fokussieren sich auf den Satz, den Text, nehmen ihn
auf und senden ihn so erneut in die verschlungenen Wege des großen
menschlichen Speichers.
Hier
düst der Gedanke über die Datenautobahnen, nimmt hier eine kleine
Information mit, löst da einen zusätzlichen Fantasiepunkt aus einem
starren Netz. Er sammelt so ein, was ihm gefällt, zu ihm passt, ihn
wachsen lässt. Dabei kommt er zu den Synapsen zurück, gibt die
Anweisung, er sei bereit zum Downloaden. Die Muskeln von Arm, Hand
und Finger empfangen die Bewegungsbefehle.
Der
Stift gleitet über die neue unberührte Fläche und zeichnet
Buchstabe für Buchstabe dessen auf, was der Gedanke über diesen
körperlichen Mechanismus ausdrücken will. Das Auge nimmt die neue
Botschaft in Empfang.
So
folgt Kreislauf auf Kreislauf. Mit jedem wird der Gedanke schärfer
und klarer. Er wird durchleuchtet, getestet, erweitert, verändert.
Mit jeder Nutzung von genau dieser Straße verbreitert sich diese,
verfestigt sich, wird zu einem dauerhaft nutzbarem Weg. Die Botschaft
des Gedanken verankert sich im Datenspeicher unseres Gehirns als
neues Wissen, neue Gewohnheit, Ziel, Vorhaben oder Leitfaden für ein
Business. Das allerdings im Negativen wie im Positiven. Aber das ist
schon wieder eine neue Geschichte.
Der
Stift jedenfalls liebkost das Papier und verströmt im Überfluss
seine einfarbig blauen, schwarzen oder grauen, so fantastisch bunten
Bilder darüber.
Das
kleine Herz in seiner plastischen, metallenen oder hölzernen Brust
schlägt laut und fröhlich und sehr sehr glücklich.
Er
weiß um seine Größe und seine Bedeutung für das Mensch sein und
die menschliche Entwicklung:
„Ich
bin ein Stift.
Das
Leben braucht die Magie des Schreibens.
Werde
zum Schöpfer deines Lebens mit NUR einem von uns!“